Lia Thomas: Trans-Schwimmerin Lia Thomas zieht vor den CAS (2024)

Im Juni 2022 schloss der Welt-Schwimmverband die trans Schwimmerin Lia Thomas von Sport-Wettbewerben aus. Die US-Schwimmerin zieht deswegen jetzt vor den obersten Sportgerichtshof CAS. In den USA ist der Fall bereits zum Politikum geworden.

Von Raphael Späth | 04.02.2024

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Lia Thomas: Trans-Schwimmerin Lia Thomas zieht vor den CAS (1)

Im Frühjahr 2022 gewinnt Lia Thomas als erste transgender Athletin überhaupt die College-Meisterschaft in den USA. Bis 2019 geht sie in der Männer-Klasse an den Start, danach outet sie sich als transgender, beginnt im Alter von 20 Jahren ihre Hormontherapie – und startet seit 2021 bei den Frauen.

Lia Thomas zieht vor den Sportgerichtshof CAS

Dass sie direkt in ihrer ersten Saison bei den Frauen die Meisterschaft gewinnt, sorgt aber für große Diskussionen. Viele Beteiligte sind nach ihrem Sieg der Meinung, Thomas hätte trotz der Hormontherapie noch zu große körperliche Vorteile. Auch deshalb passt der Schwimm-Weltverband die Teilnahme-Bedingungen für transgender Athletinnen an. Dagegen klagt Lia Thomas jetzt vor dem obersten Sportgerichtshof CAS.

„Sie sagt natürlich, dass sie sich durch diese Regeln diskriminiert fühlt, weil sie aufgrund bestimmter Merkmale nicht mehr teilnahmeberechtigt ist an den Schwimmwettbewerben der Frauen-Klasse“, erklärt Sportrechtlerin Caroline Bechtel von der Deutschen Sporthochschule Köln.

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Trans*Personen im Spitzensport

Wettkampf als politisches Statement

Die Trennung nach Frau und Mann hat im Sport Tradition. Menschen, die sich da nicht einfügen lassen, stellen Verbände und Aktive vor Probleme. Freeriderin Hannah Aram sagt, es gehe letztlich um die Frage, ob eine Trans*Person als Mensch gesehen wird.

Die neuen Regularien des Welt-Schwimmverbandes schließen alle transgender Athletinnen aus, die gewisse Stadien der männlichen Pubertät durchlaufen oder erst nach dem 12. Lebensalter mit einer Hormontherapie begonnen haben. Wer diese Merkmale nicht erfüllt, darf ab sofort nicht mehr in der Frauen-Klasse an den Start gehen. Dazu zählt auch Lia Thomas.

„Diese Unterscheidung wird im Übrigen von ihr nicht angegriffen, also die Unterteilung in Männer- und Frauenwettbewerbe wird anerkannt von ihr. Aber sie fühlt sich eben dadurch diskriminiert, dass sie als transgender Athletin nicht mehr teilnehmen darf.“

Fall Thomas ist ein Präzedenzfall

Aus sportrechtlicher Sicht ist der Fall Lia Thomas ein Präzedenzfall. Noch nie hat sich der Oberste Sportgerichtshof CAS mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen transgender Athletinnen in der Frauen-Klasse starten dürfen.

„Aber es gab natürlich einen vergleichbaren Fall, wo zumindest auch die juristischen Fragestellungen ähnlich gelagert waren. Das ist der Fall der Leichtathletin Caster sem*nya.“

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Athletin mit Störung der Geschlechtsentwicklung

Caster sem*nya ist keine transgender Sportlerin, sondern eine sogenannte DSD-Athletin, also eine Athletin mit Störung der Geschlechtsentwicklung. Ihr Körper produziert auf natürliche Weise mehr Testosteron als andere weibliche Athletinnen. Der Leichtathletik-Weltverband sieht darin einen unfairen Vorteil und hat seine Regeln vor ein paar Jahren deshalb angepasst. DSD-Athletinnen dürfen seitdem nur starten, wenn sie ihren Testosteronwert künstlich senken.

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Eine klare Diskriminierung, die aber gerechtfertigt sei, um die Fairness und Integrität des Wettbewerbs zu wahren, so das Urteil des CAS damals. Im Fall der transgender Athletin Lia Thomas vermutet Sportrechtlerin Caroline Bechtel deshalb:

„Die Argumentation wird wahrscheinlich vom Weltverband in dieselbe Richtung gehen, der sagen wird: Wir wollen die Integrität des Frauen-Wettbewerbs schützen, wir wollen die Chancengleichheit und Wettbewerbsgleichheit wahren. Und dazu ist es eben erforderlich, bestimmte Personen auszuschließen, die einen natürlichen Vorteil haben und ich denke mal, das wird dann auch die Argumentationslinie sein, auf der die Notwendigkeit der Regeln und damit auch der Diskriminierung begründet werden.“

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In den USA zum Politikum geworden

Wie bei Caster sem*nya bahnt sich auch im Fall Lia Thomas ein langjähriger Rechtsstreit an. Der große Unterschied: Anders als bei der südafrikanischen Leichtathletin ist der Fall von transgender-Schwimmerin Lia Thomas in den USA schon zum großen Politikum geworden.

Im Wahljahr 2024 ist die Debatte um die Teilhabe von transgender Athletinnen eines der zentralen Wahlkampf-Themen in den USA – vor allem auf republikanischer Seite. Egal ob Donald Trump oder Nikki Haley: Bei dieser Frage herrscht im konservativen Lager Einigkeit.

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Über 20 republikanisch-regierte Bundesstaaten haben in den letzten Monaten Gesetze verabschiedet, die es transgender Mädchen und Frauen verbieten, im Highschool- und College-Sport in der Frauen- und Mädchen-Klasse zu starten. Die Debatte um transgender Athletinnen, in der amerikanischen Gesellschaft ist sie längst zu einem sogenannten „Culture War“ geworden, einem „Kulturkrieg“.

„Ich glaube es besteht die Angst, dass, auch wenn nicht viele trans Frauen oder Mädchen an Wettkämpfen teilnehmen, diese dann unverhältnismäßig oft gewinnen und Preise wegnehmen,“ erklärt Kim Yuracko von der Northwestern Unitversity, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt.

„Und in diesem Land, anders als in Europa, geht es vor allem im Schul-Level um mehr als nur Spaß. Es steht viel auf dem Spiel.“

Auch Biden-Regierung hat bereits auf Debatte reagiert

In den USA findet der Sport auf Junioren-Niveau ausschließlich in den Schulen statt. Sportstipendien für Colleges und Universitäten sind rar und begehrt, viele junge Menschen finanzieren sich durch solche Stipendien die teilweise astronomischen Studiengebühren.

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„Ich glaube, das ist der Grund, weshalb die Teilnahme von Lia Thomas am College auch so kontrovers war. Sie war ja nur eine Person – hat also nicht eine große Gruppe an Athletinnen an der Teilnahme gehindert. Aber es gab die Sorge, dass sie mit jedem Sieg einem cisgender Mädchen die Möglichkeit nimmt, einen Rekord aufzustellen oder auf einem höheren Level antreten zu können.“

Auch die demokratische Biden-Regierung hat inzwischen schon auf die gesellschaftliche Debatte reagiert. Unter dem sogenannten Title IX ist in den USA eigentlich festgeschrieben, dass keine Schülerin und kein Schüler aufgrund des Geschlechts von sportlichen Wettbewerben ausgeschlossen werden darf.

Expert*innen erwarten Urteil noch dieses Jahr

Das Bildungsministerium plant jetzt eine Anpassung dieser Regelung: In Zukunft soll, je nach Sportart und Fall, die Teilnahme von transgender Athletinnen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sein – im Kindesalter soll aber Inklusion an erster Stelle stehen. Je nachdem, wer im November die Präsidentschaftswahlen gewinnt, könnte das aber schon bald anders aussehen, glaubt Kim Yuracko.

„Ich gehe davon aus, dass wenn Trump gewinnt, dass die Pläne des Bildungsministeriums, wenn sie bis dahin nicht finalisiert wurden, annulliert werden. Und selbst wenn die Regularien bis dahin verabschiedet sind, gehe ich davon aus, dass die Trump-Regierung dann ihren eigenen Prozess initiieren würde und wahrscheinlich Title Nine anders interpretieren, nämlich so wie die anderen republikanischen Staaten auch: Ein Komplettausschluss von transgender Athletinnen. Basierend auf der Regel, dass das Geschlecht, das einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde, darüber entscheidet, in welcher Geschlechtsklasse die Person starten darf.“

Bereits jetzt gibt es in einigen US-Bundesstaaten auch schon erste Klagen gegen einen solchen Komplettausschluss. Wann und unter welchen Umständen ist eine Diskriminierung von transgender Sportlerinnen gerechtfertigt? Mit dieser Frage wird sich jetzt also auch die Justiz auseinandersetzen müssen. Im Fall Lia Thomas rechnen Expert*innen noch in diesem Jahr mit einem ersten Urteilsspruch.

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